Die Deutschen und die Polen in einer Folge von Aska und Renka:
UNSER HELMUT
ASKA: Weil das war so:
RENKA:
Aska, kommt zurück, aus der Heimat, beladen mit echter
Wurst mit Knoblauch und sauren Gurken, aufgewühlt wie die Ostsee im Sturm, und
schon ab der Schwelle schreit sie:
ASKA: Es
wird keine Freundschaft zwischen unseren Völkern geben, nimmer und nie in der
Welt! In dem Eurocity-Warszawa-Berlin-Express, an der Grenze, als die deutschen
Zollbeamten kamen, normal, der Frost ist mir über die Knochen gegangen, weil
ein Gemurmel ging durch den Zug, und alle Polen, die nach Berlin schmieren,
flüsterten: „Gestapo, Gestapo.“
RENKA: Aska,
mach keine Mistgabel aus einer Nadel.
ASKA:
Und auf dem Hauptbahnhof – dieses
Poster, gross wie ein 3-Stock-Werk-Haus, und was steht drauf?
RENKA: „Entdecke
Polen, Polen ist nicht so wie du denkst“.
ASKA:
Renka, das impliziert doch, dass jeder
schlecht von Polen denkt, als wäre Polen ein komplettes Arsch und normal die
dritte Welt. Und noch schlimmer, eine Deutsche hat zu mir gesagt: „Oh, Sie sind
Polin, hätte ich nicht gedacht“ - und
die dachte noch das ist ein Kompliment.“
RENKA: Du
Aska, brüll nicht wie der Hund, wo sie ihm auf den Schwanz getreten sind, sonst
hört noch dieser Helmut, was du über ihn sagst.
ASKA: Dieser
patentierte Deutsche, Baujahr 1933?
RENKA: Genau,
dieser unser Quasi-Nachbar aus der vierten Etage, ist unter uns gezogen, weil
er nicht mehr soviel Treppen laufen kann.
RENKA: Und
Aska überkommt die unbenannte, unbestimmte Angst.
ASKA: Renka,
der ist doch ein Periskop und Seismograph.
Wenn der wohnt direkt unter uns, kommt er ständig in unsere Bude, macht
seinen privaten Blitzkrieg und schreit, dass wir trampeln, und polnisch reden,
und das ist laut und überhaupt emotional, der ist doch wie diese Erika
Steinbach – im Kleinformat.
RENKA: Und
Aska greift zu einer Aldi-Tüte.
ASKA: Renka, hier, pack deine Kippen und unsere
Katze -
wir ziehen aus.
RENKA: Aldi-Tüten
zum Packen? Bin ich ein Penner?
ASKA: Nicht
Penner, aber Polin und nicht gerade up-to-date: die nennen hier die Alditüten
„Polenkoffer“ – das ist doch allgemein bekannt. Los, beweg dich, worauf wartest
du, auf Applaus?
RENKA:
Und Aska schaufelt in ihre Alditüte alles was sie
schafft:
ASKA: drei
Lockenwickler,
RENKA: ihre
Trockenhaube, ASKA: weil die noch neu ist,
RENKA: den Elefanten,
ASKA: mit
dem Rüssel nach oben, zuständig für Glück
RENKA: den
Espresso-Café
ASKA: für
teures Geld,
RENKA: den
Computer von dem sie sich nie trennt,
ASKA: und
zwei rosane Decken für das Ambiente.
RENKA: Dich
hat wohl in Polen ein Braunbär überfallen, der einzige der da noch lebt - wo
sollen wir wohnen? Unter der Oder-Neisse-Brücke?
RENKA:
Aber Aska rennt wie eine Ameise durch unsere Küche und
die dritte Alditüte hat sie schon vollgepackt.
ASKA: Aber Renka hat vor nichts Angst,
RENKA: und
garantiert nicht vor so einem Helmut,
ASKA:
und damit Helmut es hört, lacht und
trampelt sie wie das Militär. Renka, hör auf zu gehen, und überhaupt zu atmen,
sonst sagt Helmut, dass du ihm die Ruhe klaust, weil wir klauen doch alles, so
hat es ihnen beigebracht dieser ihr Harald in diesem ihren Programm um
Mitternacht:
RENKA: „Willst
du nach Polen fahren, dein Auto ist schon da.“ - Ha, ha, ha. Aska, im Geiste
dieses unseres polnischen Katholizismus: wir vergeben ihnen. Weil wir haben
einen spezifischen Sinn für Gerechtigkeit: wenn wer hat, warum hab nicht auch
ich? Darum haben wir den Deutschland-Protzwagen mitgehen lassen – was sollten
wir machen, wenn wir waren arm.
ASKA: Und auf einmal ein Geräusch,
RENKA: dass
Aska vor Schreck ihre Polenkoffer fallen lässt,
ASKA: wir gucken durch das Fenster – und da:
RENKA: Helmut
bis zum Gürtel in der Mülltonne
ASKA: trampelt rum, auf diesem Müll, dass
die Funken springen,
RENKA: normal,
wie ein Rumpelstielzchen.
ASKA: Renka,
guck diesen Helmut an, er stampft den Müll zusammen und hofft, wenn er fleissig
stampft, passt mehr rein und die Betriebskosten sinken. Wenn ein Pole sieht
diesen Helmut-Geiz, bekommt er Kieferndruck.
RENKA:
Aska, lieber du fühl dich ein, in diese seine Situation,
weil normal diese Alliierten, haben ihm alles weggenommen, damit er nicht
wieder Waffen machen kann, und jede Mark vier Mal von allen Seiten hat er
angeguckt, bevor er sie ausgegeben
hat. So hat er eben diese Geizsucht bekommen. Aber Aska stopft Renka die
polnische Knoblauchwurst in den Mund, damit sie sich verstopft und endlich
schweigt.
ASKA: Das
war doch seine eigene Schuld, nicht wir haben die Helmuts, sondern die Helmuts
haben uns überfallen. Aber Renka ist heute ganz pc und pädagogisch.
RENKA: Aska,
du leidest an der Verstopfung nach diesem Krieg, aber ich jetzt, normal, werde
die erste Ehrenpatronin der deutsch-polnischen Freundschaft, und verkünde die
neue zwischen-nationale Amnesie.
ASKA: Terefere
und blablabla, dein Bewusstsein spaltet sich dir, weil selber sagst du: „Rede
nicht deutsch in der Küche und nicht wenn ich koche, weil mir die Suppe
verdirbt.“
RENKA: Du
sagst es, Aska, hier ist das Schwein begraben, weil wir den Hass auf die
Deutschen in die Wiege gelegt bekommen haben, aber mit gutem Beispiel schreite
ich voran und den Helmut gleich begütige ich: ich bringe ihm die polnischen
Gurken und Wurst und Wodka noch dazu und auf gute Nachbarschaftsbeziehungen
werde ich mit ihm trinken bis wir beide unter den Tisch fallen, ganz nach
polnischer Art! Aber Aska nimmt die Wurst und die Gurken und versteckt sie in
ihrem Bett, unter ihrer Bettdecke, und setzt sich obendrauf.
ASKA: Nichts
gibst du dem. Du weißt doch, wie die polnischen Weiber an der Grenze sagen: die
Helmuts sind gekommen, wieder fressen sie uns alles leer. Heile endlich diese
Krankheit der polnischen Seele, diese deine Gastfreundschaft!
RENKA: Aber
Aska, wenn du ihn genau anschaust, diesen Helmut, von einem Polen unterscheidet
er sich nicht, sogar den Schnurrbart hat er wie Walesa.
ASKA: Wieso
nimmst du den in Schutz, hat es dich verdreht oder was? Da wird Renka ganz blass, weil sie alles
kann, nur lügen kann sie nicht. Sie krabbelt unter den Tisch, und mit einem
schwachen Stimmchen, wie der Vogel, der aus seinem Nest gefallen ist, flüstert
sie:
RENKA: Weil
Aska, eine deutsche Leiche in meinem polnischen Keller habe ich. Weil ich
stamme doch aus Posen, und das war eine deutsche Stadt, und mein eigener
privater Opa, mein Dziadzia, der wie ein Pflaster für meine Seele war, der war
doch ein patentierter Deutscher. Und Aska sieht aus, als träfe sie ein Schlag.
ASKA:
Dein Opa ein Helmut? Du, meine Renka,
die Slavin in Persona, bist eine Deutsche? Hätte ich nie gedacht.
RENKA:
Ja, Aska, die Deutschheit habe ich mit der Milch meiner
Mutter gesaugt. Und Aska bekommt
eine emotionale Überflutung.
ASKA: Aber
Renka, wenn du auch ein Helmut bist, dann hat sich doch alles schon vermischt,
und dann an dieser deiner zwischennationalen Amnesie beteilige ich mich.
RENKA: Und
Aska holt aus ihrem Bett die Wurst, packt sie sogar auf einen Teller, und sie
fliegt, normal, Richtung Tür, wie ein Torpedo, zu Helmut.
RENKA UND ASKA:
UND SO HAT RENKA ASKA WEICHGEKLOPFT
UND SIE MIT
DEN HELMUTS VERSÖHNT.
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